endlich eine wirklich gute version gefunden, die zwar nicht exakt mit meinen bildern übereinstimmt, dafür sehr fundiert geschrieben ist:
die symbolische grafische darstellung des geburtenkreislaufs und seiner dynamik in form eines speichenrades, wie sie die brahmanische und buddhistische ikonografie entwickelt haben, weist eine interessante, wenn auch nicht erwiesen kausal zusammenh'ngende parallele in der orphischen auffassung von der ewigen seele im griechischen hellenismus auf. die orphisten fassten die gesetzmässigkeit der wiedergeburten der menschlichen seele in mensch, tier oder pflanze als einen mühseligen, nie endenden kreislauf auf, dem sich zu entziehen nur mit hilfe einer erlösergestalt möglich war, in diesem fall dionysios, dem im buddhismus bodhisattva entspricht. mit der wahl des rades als begreifbarer metapher für das werden und vergehen auf erden verbindet sich in indien allerdings ein zyklischer zeitbegriff, der bei den griechen weitgehend fehlt. so stellte sich empedokles die seele auf einer wanderung entlang des weges eines linearen zeitablaufes vor. das rad schafft somit eine enge verbindung zwischen der zeit und der moralischen evolution, indem jede seiner drehungen für die seele eine zeitliche und moralische fortbewegung bedeutet, während diese nach abschluss der drehung wieder am selben ort steht, was in übertragenem sinn die gewährleistung der identität für die seele beinhaltet; diese bleibt sich also trotz drehung und fortbewegung gleich, evoluiert, ohne etwa einer spriralartigen bewegung nach oben folgen zu müssen, wie sie die deutschen philosophen der romantik postulierten, sondern zyklisch in sich wiederholenden zeitsegmenten.
im lamaismus wird die entstehung des radsymbols auf buddha sakyamuni zurückgeführt; im divyavadana wird berichtet, wie buddha im eichhörnchenfeld kolandaka seinen jünger ananda beauftragte, ein rad zu zeichnen, um figurativ darzustellen, was ein anderer jünger, maudgalyayana, anlässlich seiner reise in anderen sphären gesichtet hatte. das rad hatte fünf speichen, zwischen denen ananda die verschiedenen höllenreiche malte und in dessen zentrum die drei tiere taube, schlange und schwein die grundübel sinnlichkeit, hass und dummheit symbolisierten, die den menschen im geburtenkreislauf gefangen halten. am äusseren rand malte ananda zwölf szenen des alltags, die den kausalnexus veranschaulichten. die ausschmückung des lebensrades mit zahlreichen symbolischen details wird dem indischen philosophen nagarjuna aus dem 2. jh. n. chr. zugeschrieben.
seit den frühesten darstellungen des lebensrades, etwa in den höhlen von ajanta, hat sich die hinayanische kausalkette des entstehens in abhängigkeit verbunden mit der mahayanischen idee vom erlösenden bodhisattva, der jeweils in den fünf oder sechs reichen als rettende gestalt auftritt und dem menschen die befreiung aus welchem reich auch immer ermöglicht.
das rad wird von den klauen und zähnen eines furchterregenden ungeheuers umschlossen, dessen identität nicht ganz geklärt werden kann. es handelt sich laut einigen kommentatoren des lebensrades um den totenrichter yama, dessen verbissenes festhalten am rad der existenz des menschen unstillbaren durst nach dem leidbrigenden und illusionären leben in seiner ganzen hässlichkeit versinnbildlicht, während andere autoren mit derselben auslegung in diesem ungetüm mara vermuten.
im zentrum des lebensrades erseinen ein schwein als symbol für die unwissenheit und dummheit, ein hahn als symbol für die sinnlichkeit und eine schlange als symbol für den hass, die sich bei einer ikonogrfisch korrekten darstellung jeweils am schwanz halten sollten, weil von den drei grundübeln das eine das andere bedingt und umgekehrt, in einem unauflöslichen teufelskreis, das eine aus dem anderen hervorgeht.
der zur hälfte schwarze und zur hälfte weisse ring um das zentrum herum zeigt des menschen abstieg in die dunkle höllensphäre, bzw. dessen aufstieg in die lichtsphäre und erlösung während des nachtodzustandes, in den die seele während 49 tagen zwischen tod und wiedergeburt bei der vision der gottheiten entweder deren wesenheit als karmische illusion, als alleinige projektion seiner seele erkennt und somit eine bessere existenz auf einer höheren stufe erreicht, oder aber der illusion verfällt und aufgrund der selbsttäuschung in eine niedrigere existenzstufe zurückfällt.
lebensräder aus der frühbuddhistischen zeit weisen fünf existenzbereiche auf, in die der mensch hineingeboren werden kann; der üblichere, vor allem im lamaismus verbreitete typus zeerteilt sich in sechs solcher wiedergeburtenbereiche, in der jeweils ein buddha als erlösergestalt figuriert. die reihenfolge dieser reiche ist im rad folgendermassen bestimmt:
das reich des genusses oder das weisse reich der götter (skt.: devaloka; tib.: lha yul).
dieses himmlischste reich und ziel der meisten menschen birgt trotz seiner verlockenden paradiesischen erscheinung das leid der wiedergeburt in sich und somit die illusion des menschen, im besitz eines dauerhaften ich zu sein. die aus lotusblüten geborenen götter fröhnen einem prächtigen, sorgenlosen leben, sind ihrerseits aber dem gesetz des todes und der wiedergeburt unterworfen, das sie in niedrigere existenzstufen zurückwerfen kann. in einem tempel erscheint avalokitesvara in der gestalt eines weissen buddhas, der, auf einer laute spielend, die devas zur meditation auffordert, um sich von der illusion ihres ewigen individuellen wesens zu befreien.
zwischen diesem reich und jenem der titanen (skt.: asura; tib.: lha ma yin) erwächst der wunschbaum oder baum der erkenntnis, der am ursprung des ewigen steites zwischen den devas und asuras steht, weil letztere dessen wurzeln besitzen und mit wasser ernähren müssen, während erstere ohne arbeit in den genuss seiner früchte kommen.
die devas, in tibetische kriegsharnische gekleidet, bekämpfen die asuras mit schwertern und wurfspiessen. im grünen reich des kampfes sitzt der heerführer der titanen, gyalgin, auf einem thron und spielt den frauen harfenmusik, während der grüne buddha mit seinem schwert den tugendsamen weg der sittlichkeit weist. die asuras sind, wie die devas, zu tod und wiedergeburt bestimmt.
das reich der tat oder die gelbe menschenwelt (skt.: nara; tib.: mi) enthält alle den tibetern bekannten menschenrassen und zeigt die menschliche existenz auf, wie der mensch sie auf erden als erträgliche mischung von freud und leid erlebt. diese existenzform ist jener der devas und asuras vorzuziehen, weil in ihr allein der mensch die fähigkeit besitzt, sich durch befolgen des edlen achtgliedrigen pfades und durch lesung der heiligen schriften von der kausalkette zu befreien und die erlösung anzustreben. der gelbe buddha skayamuni mit almosenschale und bettelstab fordert die menschheit auf, sich in der willenskraft zur erlösung zu üben.
ins blaue reich der tiere (skt.: tiryakoni; tib.: du gro) wird der mensch aus unwissenheit und willensschwäche hineingeboren. die unterjochung der tiere durch die menschen wird in szenen veranschaulicht, in denen tiere als lastenträger benutzt, getötet, gegessen und kastriert werden. die befreiung der tiere aus ihrer qualvollen existenz ist philosophisch schwer erklärbar, möglicherweise besteht sie im positiven beitrag an die menschen als nahrungsspender. der blaue buddha erscheint den tieren mit dem buch der transzendenten weisheit, um den tieren wissen zu vermitteln, das sie befähigt, aus eigenen kräften sich in eine höhere stufe hinaufzuarbeiten.
das reich der hungergeister (skt.: preta; tib.: yi dag) wird geografisch in der region des bengalischen patna angesiedelt; es wird von ewig hungers und durst leidenden geistern bewohnt, als die geizige und habsüchtige menschen wiedergeboren werden. weil ihr mund so klein wie ein stecknadelkof und ihre kehle so schmal wie ein haar ist, vermögen sie die speisen und getränke nicht zu sich zu nehmen, die vor ihnen in reichlicher fülle aufgetischt sind. falls der eine oder andere geist dennoch einen happen erhaschen kann, so verwandelt sich dieser sogleich in seinem mund in feuer und scharfschneidende klingen. es sind insgesamt 36 arten solcher schrecklichen geister bekannt - unter anderem blutsauger und giftverschlinger -, die in friedhöfen ihr unwesen treiben und den menschen tätlich angreifen. ihre königin ist die kinderfressende hariti. avalokitesvara erscheint mit einem gefäss, aus dem er den pretas zur linderung ihrer qualen wasser spendet.
im schwarzen höllenreich (skt.: naraka; tib.: nalkham oder dmyal khams) richtet der höllenfürst yama die sünder, die entsetzliche, in der art eines hieronymus bosch höchst realistisch und grausam phantasievoll gemalte torturen erleiden. so wird beispielsweise ein religionsabtrünniger mensch von einer stupa zerschmettert und ein anderer, der in seinem leben für die heiligen schriften nur verachtung empfunden hat, zwischen zwei buchseiten erdrückt. in der kalten hölle drängen sich wärmesuchende menschen in eisigen bergzügen dicht aneinander, während ihre leidensgenossen in der heissen hölle langsam zu tode geröstet werden. yama hält in der reichesmitte sein gericht und hält den sündern einen spiegel vor augen, in dem sie ihren schlechten lebenswandel erblicken; ihnen zu füssen wägen zwei untertanen yamas die guten und schlechten taten des sünders ab, aufgrund dessen yama seinen richtspruch fällt. der dunkelblaue buddha mahnt die gequälten mit den reinigenden elementen feuer und wasser zur tugend der geduld.
der äussere rand teilt sich in zwölf alltagsszenen, die den kausalnexus auch für leseunkundige in eindrücklicher bildsprache illustrieren; die szenen folgen sich im uhrzeigersinn, können aber ihren anfang an irgendeiner stelle nehmen:
1. unwissen; alte blinde frau, die illusion des ichs und der erscheinungswelt versinnblidlichend.
2. karma verursachende triebe; ein töpfer bei der arbeit. die ausführung von taten im leben bestimmt das menschliche schicksal und die art der wiedergeburt.
3. bewusstsein; ein affe auf einem baum beim früchteessen. das bewusstsein als verbindungsglied zwischen einer existenz und der nächsten stürzt den menschen in die wiedergeburt - der affe isst früchte - und formt sich zu einem neuen, unsteten bewusstsein wieder - der affe hüpft von einem baumast zum anderen.
4. name und form; ein boot mit einem ruderer. die im namen enthaltenen vier psycho-physichen komponenten des menschen (wahrnehmung, empfindung, bewusstsein und triebkraft) und die form machen den menschen aus, der im steten strom des lebens dahintreibt wie ein boot im meer.
5. sechs sinnesorgane; haus mit fünf fenstern und einer tür. fünf fenster symbolisieren die fünf sinnesorgane und die tür das denken.
6. berührung der objektwelt; ein liebespaar
7. gefühl und empfindung; ein pfeil im auge
8. begierde und sinnlichkeit; weintrinkender mensch
9. festhalten an der irdischen existenz; früchtesammler
10. zeugungstrieb und werden; schwangere frau
11. geburt; die geburt eines kindes
12. alter und tod; ein leichnam, der auf einer bahre zur kremationsstätte getragen wird.
ausserhalb des lebensrades figuriert in den meisten darstellungen auf thangkas der religionsstifter auf einer visionären wolke in der oberen rechten bildpartie, der mit seiner präsenz die befreiung vom geburtenkreislauf versinnbildlicht und die menschheit zur nachahmung seines lebenswandels auffordert.
wer mehr und grössere bilder sehen will, mein picasaalbum zum lebensrad.
tzhangkas; rollbilder aus dem himalaya; kunst und mystische bedeutung; alexandra lavizzari-raeuber; dumont taschenbücher; isbn 3-7701-1408-6
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